Freche Nackedeis im Kirchenschiff
Ausstellung in Anklam 2015
Wer hätte gedacht, dass aus etwas Traurigem noch soviel Spaß entstehen kann. „Irgendwie musste ich sie doch aufmuntern“, sagt Urich Pietzsch und blickt zu seiner Frau. Mehr als 40 Jahre sind die beiden verheiratet. Eine Symbiose sei das, sagt er. Kaum einen Tag, den die beiden getrennt verbracht hatten.
Und wenn man es so betrachtet, dann ist es vielleicht auch ganz logisch, dass sich seine Kunst aus einem künstlerischen Aus seiner Frau Lydia Wolgina entpuppte. Als die Mitte der (70 er) Jahre ihre Stellung als 1. Solotänzerin an der Berliner Staatsoper einbüßte, war die Stimmung gedrückt. Also aufheitern. Und das gelang am Ende mit einem kleinen Bild, das morgens auf dem Frühstückstisch stand… Wie er auf das Motiv kam oder gar darauf, überhaupt zu malen? So ganz klar ist das nicht mehr. „Aber sie hat gelacht“, erinnert er sich…
Jetzt also auch die Anklamer. Denn in der Nikolaikirche werden derzeit dutzende seiner Bilder ausgestellt…Bunt und fröhlich, nackt und prall tanzen und wirbeln die Figuren aus Pietzschs Fantasie durch die Kirche.
Füt Mitorganisator Frank Hauff wirkt es so, als habe der „puritanische Bau jahrzehntelang auf solche Bilder gewartet.“ Vielleicht, um das zu unterstreichen, wirken die Arbeiten in der einstigen Sakrestei noch ein bisschen wilder, weil nicht in Reih und Glied gehangen. Die Erklärung ist allerdings ganz praktischer Natur. Man wollte keine zusätzlichen Nägel in die historischen Wände schlagen.
Passt doch. Denn irgendwie ist die Kunst von Ulrich Pietzsch immer ein bisschen improvisiert. Das Malen hat der gebürtige Sachse nie studiert oder erlernt… „Ich hatte das Glück, dass ich mit Ende 30 dieses Talent noch entdeckt habe“, sagt er. 40 Jahre später hat er mehr als 3000 Bilder ins Leben gebracht. Ein bisschen Idyll, ein bisschen Karikatur und ganz viel Leben. Das liefere auch die Vorlagen. „Ich beobachte gern, dann mache ich mir so meine Gedanken darüber“. Pietzsch bleibt schwammig, wenn es um seine Inspiration geht. Und auch Lydia Wolgina versichert, sie wisse bis heute nicht, woher ihr Mann all die Ideen nehme. Auch wenn sich gewisse wiederkehrende Motive erkennen lassen.
Kaum ein Bild, das ohne Hund auskommt. Der nahe liegende Verdacht bestätigt der selbsternannte Dilettant: „Wir hatten selber immer Hunde.“ Und auch einige Menschen, die da auftreten, sind – mal offensichtlich, mal verklärt – angelehnt an echte Charaktere. Der ordenbehangene Schützenkönig, der erinnert doch stark an den Bürgermeister eines früheren Wohnortes…
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AnzeigenKurier 05.08.2015