Kitzbüheler Schau naiver Malerei (1983)
Ausstellung Handelsakademie Kitzbühel
…Liest man Biographien naiver Maler, stößt man immer wieder auf Menschen, die in der Malerei bewusst oder unbewusst eine Kompensation für ihre allgemeine Lebenssituation oder bestimmte Erlebnisse suchen: Unterprivilegierte, Sonderlinge, gesellschaftliche Randfiguren. Der aus der DDR ausgebürgerte, derzeit in der Kitzbüheler Handelsakademie ausstellende Ulrich Pietzsch ist nur bedingt in diese Reihe einzuordnen… Lassen die besonderen Lebensumstände von Ulrich Pietzsch eher eine gesellschaftlich engagierte Reaktion erwarten, findet man zumindest in seinen Bildern das Gegenteil. Sie zeigen eine weitgehende idealisierte dörfliche Welt, lebensfrohe Alltagsszenen aus seiner brandenburgischen Heimat, oft mit anekdotenhaftem Charakter… Konfliktfreie Bilder einer scheinbar heilen Welt, verstärkt durch kindlich- poetische Unbefangenheit, die sich häufig unbewusst über die naturalistische Bezogenheit hinwegsetzt und das Eindrucksbild in ein vereinfachtes Wesensbild verwandelt…
Die vereinfachte Typisierung gibt den Darstellungen maskenhafte Züge und verleiht ihnen einen an magischen Realismus erinnernden Charakter…
Ohne Rückgriff auf Techniken und Verfahren der verschiedenen Kunstschulen oder Anleihen bei Vorbildern versucht er mit begrenzten Kenntnissen und Möglichkeiten eine bildnerische Gestaltung seiner Welt. Und gerade die Spannung zwischen technischer Unvollkommenheit und visueller Vorstellung schafft die Eigenheit seines schöpferischen Ausdrucks.
Karl Prieler
„Tiroler Tageszeitung“ vom 15./16. Jänner 1983